Erregungszustand optimal regulieren

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Erregung oder Nervosität ist grundsätzlich nichts Schlechtes dem Du entgegenwirken musst. Im Gegenteil, wenn Du erregt bist, ist Dein Körper und Nervensystem bereit sich an veränderte Situationen anzupassen und du kannst angemessen handeln 1 2 3.

Für jede Tätigkeit oder Sportart gibt es ein optimales Erregungsniveau, dass zwischen Schlaf und extremer Erregung liegt. Dieser Zusammenhang zwischen Leistung und Erregungsniveau kann mit einer umgekehrten U-Funktion veranschaulicht werden4 5 6. Allerdings ist das optimale Niveau sehr individuell und auch sportartspezifisch 7.

Zusammenhang von Erregung und Leistungsfähigkeit nach Yerkes und Dodson (1908)
Zusammenhang von Erregung und Leistungsfähigkeit nach Yerkes und Dodson (1908)

Das Aufwärmen und Aktivieren vor dem Wettkampf erhöht z.B. Herzfrequenz und Muskeltonus und durch positive Rückkopplung führt dies zur Steigerung der Erregung und Erhöhung der Aktivität im Gehirn 8 9. Für einen 100m Hürdenlauf ist dies sicherlich ein vorteilhaft, für eine Aufgabe mit hoher feinmotorischer Genauigkeit, wie z.B. beim Tennis, Bogenschießen oder Golf, eher nicht 10 11.

Optimales Errgungsniveau für unterschiedliche Sportarten (1=Technische Sportarten; 2=Spiel- und Kampfsportarten; 3=Ausdauersportarten
Optimales Errgungsniveau für unterschiedliche Sportarten (1=Technische Sportarten; 2=Spiel- und Kampfsportarten; 3=Ausdauersportarten

In den Ausdauersportarten ist eine grössere Zone hilfreich für optimale Leistungen und grössere Veränderungen wirken sich nur wenig aus. Im Spielsport, Kampfsport und in Disziplinen mit hohen kognitiven Anforderungen oder hoher feinmotorischer Präzision wirken sich Schwankungen der Erregung deutlich auf die sportliche Leistung aus. Der Spielraum wird geringer und Anforderungen an die Regulation des Erregungszustands wird höher 12 13 14.

Der Schlüssel ist eine verbesserte Selbstwahrnehmung und die richtige Bewertung Deiner Erregung. Denn beeinflussen kannst Du nur das, was Du auch wahrgenommen hast. Stellst Du eine Beziehung zwischen der Wahrnehmung Deiner Erregung und deinen sportlichen Leistungen her erkennst Du welches Erregungsniveau hilfreich für Deine persönlichen Bestleistungen sind. Du erkennst, dass Erregung nichts Schlechtes ist, so dass Du deine Energie nicht im den blinden Kampf gegen Windmühlen vergeudest. Du musst Erregung nur richtig bewerten und für dich nutzen.

1. Richtungen der Zustandsregulation

Relaxation und Entspannung. Wenn Du vor Deiner nächsten Handlung zu aufgeregt bist, musst Du Dein Erregungsniveau senken. Ruhiger werden.

Aktivierung und Mobilisation. Umgekehrt kannst Du für die Ausführung einer Handlung zu ruhig, zu träge sein. Ein Beispiel ist das Aktivieren und Mobilisieren Deines Stoffwechsels im «Aufwärmen».

2. Entspannungstechniken

Es gibt im Wesentlichen 3 Möglichkeiten Dein psychophysisches Erregungsniveau zu regulieren:

  • über Deine Verhalten, z.B. Deine Muskelspannung durch Konzentration auf eine langsame kontrollierte Atmung (engl. slow paced breathing, SPB) senken 15 16 17.
  • die Umwelt, z.B. indem du eine ruhige Umgebung aufsuchst oder «herstellst», durch entsprechende Musik oder das Abwenden vom Spielfeld und achtsames Wahrnehmen von Vögeln, Vogelgesang, Blätterrauschen oder welche Farben die Autos auf dem Parkplatz haben.
  • Wahrnehmung, z.B. die Entspannung bei Durchführung der Progressive Muskelrelaxation (PMR) spüren 18 oder vorstellen, angenehmes Befinden durch Visualisierung schöner Momente herstellen.

3. Nutzen von Entspannung

Das Erlernen und stabile Anwenden von Entspannungstechniken kann einen wesentlichen Beitrag zur gelassenen und ökonomischen Spielführung leisten. Sie sind von entscheidender Bedeutung für Deinen Leistungsverlauf (Momentum) und Dein Leistungsergebnis. Setzt Du Entspannungstechniken ein helfen sie Dir bei unterschiedlichen Aspekten:

  • Verbesserung von Exekutivfunktionen (Handlungsplanung, -steuerung, Entscheidungsfindung),
  • Unterstützung Deiner Erholung,
  • Verhinderung von Energieverlusten (energy leaks),
  • Verhinderung von Schlaflosigkeit,
  • Abwehr und Veränderung von negativen Einstellungen,
  • positiver Lösung von Konflikten,
  • Reduzierung von Ängsten,
  • Verbesserung der Wirkung von Affirmationen und Visualisierungen.

4. Entspannungstraining durchführen

Damit Du Entspannung auch in herausfordernden Situationen herstellen kannst ist konsequentes tägliches Üben notwendig 19. Dieses «unsichtbare Training» ist genauso wichtig wie Technik- oder Konditionstraining.

Am Anfang sollten im Anschluss keine Termine mehr anstehen. Erfahrungsgemäss bietet sich 15’-20’ vor dem Einschlafen an.

5. Referenzen

Bhambri, E., Dhillon, P. K. & Sahni, S. P. (2005). Effect of Psychological Interventions in Enhancing Mental Toughness Dimensions of Sports Persons. Journal of the Indian Academy of Applied Psychology, 31(1–2), 65–70.

Baumann, S. (2018). Psychologie im Sport psychische Belastungen meistern, mentale Wettkampfvorbereitung, Konzentration und Motivation (7., überarbeitete Aufl.). Aachen: Meyer & Meyer.

Eberspächer, H. (2012). Mentales Training. Das Handbuch für Trainer und Sportler (8. Aufl.). Copress.

Franklin, E. N. (2019). Breathing for peak performance: functional exercises for dance, yoga, and pilates. Champaign, IL: Human Kinetics.

Gröpel, P. & Mesagno, C. (2019). Choking interventions in sports: A systematic review. International Review of Sport and Exercise Psychology, 12(1), 176–201. https://doi.org/10.1080/1750984X.2017.1408134

Gould, D. & Udry, E. (1994). Psychological skills for enhancing performance: Arousal regulation strategies. Medicine & Science in Sports & Exercise, 26(4), 478–485. https://doi.org/10.1249/00005768-199404000-00013

Hofmann, E. (2012). Progressive Muskelentspannung. Ein Trainingsprogramm (3. Auflage, Band Therapeutische Praxis-Band 1). Hofgrefe, Göttingen.

Kratzer, H. (2000). Psychologische Inhalte der Unmittelbaren Wettkampfvorbereitung (UWV). Leistungssport, 30(3), 4.

Weinberg, R. S. & Gould, D. (2023). Foundations of sport and exercise psychology, 8th ed. Champaign, IL, US: Human Kinetics. Verfügbar unter: https://us.humankinetics.com/products/foundations-of-sport-and-exercise-psychology-8th-edition-with-hkpropel-access-loose-leaf-edition

Yerkes, R. M. & Dodson, J. D. (1908). The Relation of Strength of Stimulus to Rapidity of Habit Formation. Journal of Comparative Neurology & Psychology, 18, 459–482.

You, M., Laborde, S., Zammit, N., Iskra, M., Borges, U., Dosseville, F. et al. (2021). Emotional Intelligence Training: Influence of a Brief Slow-Paced Breathing Exercise on Psychophysiological Variables Linked to Emotion Regulation. International Journal of Environmental Research and Public Health, 18(12), 6630. https://doi.org/10.3390/ijerph18126630

You, M., Laborde, S., Zammit, N., Iskra, M., Borges, U. & Dosseville, F. (2021a). Single Slow-Paced Breathing Session at Six Cycles per Minute: Investigation of Dose-Response Relationship on Cardiac Vagal Activity. International Journal of Environmental Research and Public Health, 18(23), 12478. https://doi.org/10.3390/ijerph182312478

Fußnoten

  1. Eberspächer (2012)
  2. Baumann (2018)
  3. Bhambri, Dhillon & Sahni (2005), S.69
  4. Yerkes & Dodson (1908)
  5. Baumann (2018)
  6. Gould & Udry (1994)
  7. Kratzer (2000)
  8. Kratzer (2000), S.7
  9. Weinberg & Gould (2023)
  10. Kratzer (2000), S.7
  11. Schubert & Schellenberger (1987)
  12. Kratzer (2000), S.7
  13. Schubert & Schellenberger (1987)
  14. Gröpel & Mesagno (2019)
  15. You et al. (2021)
  16. You et al. (2021a)
  17. Franklin (2019)
  18. Hofmann (2012)
  19. Bhambri, Dhillon & Sahni (2005)

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